Taktik/Gefahrenvermeidung und Abwicklung von Unfällen durch Baumhindernisse im Fließgewässer

AUS AKTUELLEM ANLASS ZUM MITTWOCHS-TRAINING UND ZUR SONNTAGS-RHEIN-SIEG-RUNDE Wir haben vor unserer Haustüre ein abwechslungsreiches Trainingsrevier, welches uns erlaubt, viele Varianten an Trainingsrunden zu nutzen. Je nach Wasserstand gehört dazu auch das Befahren der unteren Sieg bis zur Siegfähre flussaufwärts.

Je nach Wasserstand von Rhein und Sieg gibt es verschiedene Strömungssituationen, die diese Strecke immer wieder anders erscheinen lassen.

Führt der Rhein nur Mittelwasser und die Sieg einen hohen Wasserstand, ist der Rückstau durch den Rhein nur marginal und die Siegströmung flussabwärts dominiert.

Dieses ist für uns Paddler dann eine besondere Herausforderung. Um die Gegenströmung besonders gering zu halten, gibt es jetzt ein paar taktische Fahr-Tipps:

  • am äußersten Rand fahren- jeder Zentimeter näher zum Ufer reduziert die Gegenströmung und somit den zu leistenden Kraftaufwand. Dieses führt gerade am Anfang dazu, Körner zu sparen und somit die Übersicht und Kontrolle zu behalten.
  • Taktisch ist es entscheidend, zu erkennen, bei welcher Geschwindigkeit durchs Wasser die eigene Maximalgeschwindigkeit liegt. Denn niemand wird diese Strecke dauerhaft unter Maximalkraft paddeln können. Aus dieser Erkenntnis resultiert das Aufteilen der Gesamtstrecke in Teilabschnitte. Diese werden dann in unterschiedlichen Kraftstufen gefahren.
  • Fangen wir (siehe Zeichnung) mit den verschiedenen Teilabschnitten an:
    • normale Uferzone ohne Hindernisse – hier wird mit moderater Belastung nah am Rand gepaddelt- Kraft ca. < 60% der Maximalkraft.
    • Zone unterhalb (flussabwärts) vom Hindernis- hier haben wir in der Regel eine Kehrwassersituation, die uns die Möglichkeit zur Regeneration oder lohnenden Pause ermöglicht. Außerdem handelt es sich um eine SICHERE Zone.
    • Zone neben dem Hindernis-  je nach dem, wie weit das Hindernis in den Fluss hineinragt, haben wir hier mit der stärksten Gegenströmung zu rechnen- hier darf oder muss sogar mit maximaler Kraft gepaddelt werden, um die Zeitdauer der Gegenströmung zu reduzieren. – GEFAHRENZONE- Fluchtrichtung bei Problemen Richtung Flussmitte.
    • Zone oberhalb (flussaufwärts) des Hindernisses- hier muss, wegen der starken Strömung und dem Abstand den man unbedingt auch noch weiter oberhalb vom Hindernis einhalten sollte, mit sub-maximaler Kraft gepaddelt werden- GEFAHRENZONE- Fluchtrichtung bei Problemen Richtung Flussmitte.

Nachdem wir nun taktisch gut aufgestellt sind und unsere Kraft über die gesamte Strecke gut aufteilen können, damit wir bis zum Schluss kontrolliert paddeln und somit die Übersicht behalten, gilt es nun noch einmal auf die latenten Gefahren von Baumhindernissen auf Fließgewässern einzugehen.

  • Bäume/Äste/Wurzelteller/Bänke/Zäune/Drähte…die Aufzählung ließe sich beliebig fortsetzen, haben alle eines gemeinsam – sie bilden ein Rechen. Dieser hat die Eigenschaft das Wasser komplett durchzulassen, aber alle anderen Körper wie Boot/Paddel/Paddler festzuhalten. In der Regel unter Wasser. Wer sich ein bisschen mit Hydrodynamik beschäftigt hat, weiß um die Kräfte die hier wirken. Alleine die Siegströmung bei einem hohen Mittelwasser im Mündungsbereich von ca. 20 km/h reicht aus, um bei einem verklemmten Kajak Kraftspitzen bis zu einer halben Tonne zu produzieren. Damit wird ersichtlich, dass diese Rechen eine große Gefahr auf Fließgewässer darstellen.

Prävention 1 – im Vorfeld zu erkennen, wo wir Sichere-Zonen haben, wo die Gefahren-Zonen liegen und wo die absoluten Tabu-Zonen liegen. (siehe Zeichnung)- taktisches Fahren

Prävention 2 – Ausrüstung: gerade die Kombination von Boots- und Gewässertypen, die eigentlich nicht aufeinander abgestimmt sind, bedürfen einer besonderen Kontrolle. Wer z.B. mit seinem Seekajak in den Siegmündungsbereich fährt, sollte sein Boot dafür präparieren. D.h. es gelten die Gefahrenvorkehrungen für WW und Kleinflüsse. Dinge, wie Lukengröße (Bighole) zum sicheren Aussteigen, feste Leinensysteme oder besonders Vorleinen, bedürfen einem geschärften Blick. Extra Sicherheitsmaterial wie Flaschenzug, Wurfsack und klappbare Baumsäge sollten mitgeführt werden.

Prävention 3 – Gerade bei Stromaufwärtsfahrten kommt es zu unterschiedlichen Geschwindigkeitsbereichen der einzelnen Paddler. Dadurch droht bei zu geringem Abstand eine Kollision der Kajaks miteinander. Die Folge ist, dass beide Betroffene Ihre Boote nicht mehr in ihrer Richtung kontrollieren können. Was bei einer Rhein-Buhne eher nur unangenehm ist, birgt bei Baum-Hindernissen Lebensgefahr. Deshalb, immer genügend Abstand halten und unbedingt jede Kollision oder das touchieren der Bootsspitzen vermeiden.

Prävention 4 – zu wissen, wie ich mich im Falle eine Fahrfehlers zu verhalten haben. Die Fluchtrichtung ist immer Richtung Flussmitte. Hier zählt jeder Zentimeter. Deshalb rechtzeitig abbrechen oder bei Paddel-/Ast-Berührungen sofort mit maximaler Vehemenz Richtung Flussmitte steuern.

UND WENN ES DOCH PASSIERT?

Der Havarist:

  • Ruhe bewahren
  • auf sich aufmerksam machen
  • jeder Zentimeter Richtung Flussmitte zählt
  • zum Hindernis hinlehnen – da Rechen keine Prallpolster bilden, wenig erfolgsversprechend- deshalb
  • SOFORT aussteigen – aggressiv aus dem Boot springen
  • wenn die Möglichkeit besteht, durch eine Art Feldaufschwung in den Armstütz und somit auf bzw. über das Hindernis zu kommen, ist diese Variante immer vorzuziehen.
  • wenn die erste Variante nicht klappt, dann klein machen- zu einer Kugel zusammenrollen – Knie vor die Brust ziehen – Kopf zwischen die Knie –  Arme um die Unterschenkel legen.
  • nach dem Überwinden/Durchtauchen des Hindernisses Richtung Flussmitte schwimmen.

Der Retter:

  • Es gilt das Protokoll STeVE (siehe unten)
  • Es gilt das Protokoll Safe (siehe unten)
  • Auf keinen Fall von oben anfahren!!!!
  • von unten aus der sicheren Zone nähern
  • Der Schwimmer hat die höchste Priorität – bevor der nicht sicher und vital an Land ist oder die Rettungskette durch 112 (CPR) erweitert wurde, spielt die Bergung des Materials keine Rolle.
  • Den Schwimmer ansprechen, beruhigen, orientieren, dann über die eigene Bootsspitze (Koala) bergen und in Flussmitte bringen.
  • wenn das Boot ebenfalls frei ist, dann Paddler und Boot mit Wiedereinstieg in der Strömungsmitte zusammenführen
  • Sollte das Boot weiter verklemmt sein – den Havaristen an einen sicheren Uferbereich bringen. Hier gilt es der Schwere der Kenterung Rechnung zu tragen. Orientiert, warm und satt…oder Anzeichen von Schock, Hypothermie, Verletzungen dann Erweiterung der Rettungskette über 112 . Die 5 W´s. Die Beschreibung der Flussseite ist entscheidend.

Extremzsenario:

Havarist:

  • du hast dich unter Wasser am Hindernis verklemmt – bleib ruhig – analysiere was dich womit festhält – atme nicht unter Wasser ein!!!!
  • suche dein Messer, versuche die Verbindung zu kappen
  • explodiere noch einmal mit all deiner Kraft, reiße, zerre dich los – vielleicht kannst du den Kopf über die Wasseroberfläche bringen.
  • wenn du damit keinen Erfolg hast – widerstehe deinem Atemreflex!!! bleibe ruhig – dimme dich runter – suche dir ein positives gedankliches Ziel – halte durch!!!

Retter:

  • Bleib ruhig – von deiner Besonnenheit und Führung hängt ein Menschenleben ab
  • Notruf absetzen – 112 – 5 W´s- Flussseite ! (immer orographisch angeben)
  • Oberste Priorität ist die Sauerstoffversorgung des Havaristen
  • Zeitfenster < 3 min Ziel/< 5 min okay / >5 min kritisch
  • Denke an STeVe und Safe
  • Arbeite nur von der strömungsabgewandten (flussabwärts) Seite
  • wenn du den Havaristen unter Wasser sehen und erreichen kannst, sichere ihn mit deinem Wurfsack
  • delegiere jemanden ans Ufer um das Hindernis ggf. anzusägen oder mit dem Körpergewicht zu wippen
  • manchmal hilft auch rohe Gewalt
  • arbeite mit Rolle, Flaschenzug und Treibanker
  • vielleicht kannst du auch das Kajak – wenn aus GFK – zerstören, um mehr Raum für den Havaristen zu schaffen
  • binde die anderen Paddler mit ein. Behalte die Führung solange bis jemand mit höheren Kompetenzen übernehmen kann.
  • habe immer eine Checkliste für die CPR (Cardio-Pulmonale-Reanimation) dabei, besuche jedes Jahr ein 1. Hilfe Kurs.
  • Besuche regelmäßig Sicherheitskurse für WW oder Fließgewässer, am bestem beim Profi http://www.swiftwaterrescue.at/content/us/neil.html

Sicher kann man sich die Frage stellen, ob man solche Gefahren grundsätzlich meidet.

Das muss letztendlich jeder für sich selber entscheiden. Mir ist wichtig, dass der mündige Paddler die wirklichen Gefahren erkennen, analysieren und durch sein richtiges Verhalten minimieren kann.

STeVE- Rettungsprioritäten

Self – Ausbilder

Team – restliche Teilnehmer

Victim – der zu Rettende

Equipment – Ausrüstung

SAFE – Incident Management

Zählt Aufgaben und notwendige Aktionen des Fahrtenleiters in der richtigen Reihenfolge Annäherung an eine schwierige/gefährliche Stelle auf

Stop

– Atmen Sie tief durch

– Möglichst an einem „Sicheren Ort“

Assess – Beurteilen der Situation

Was gibt es für weitere Risiken:

– für mich

– Für den Rest der Gruppe

– Durch den Unfall

Formulate- Formulieren Sie einen Plan

– Welche Rettung ist in dieser Situation anwendbar

– Muss ich Schäden an Land oder auf See zu beheben

Execute- Ausführen und bewerten den Plan

– Siehe die Rettungsaktionen und Abschleppdienst Sitzung für vorgeschlagene Szenarien

 

Lars Everding
Swiftwater Rescue R3
DKV Referent Ausbildung Küste
Kanulehrer B Lizenz des DKV
Ausbilder der Salzwasserunion